Historischer Werdegang der Freiherren von Wolff in Südrussland und Besserabien
Die Familiengeschichte der Freiherren von Wolff sind nicht vollständig und lückenhaft dokumentiert. So ist urkundlich nachgewiesen, dass Johann Sigismund Adam Wolff nicht drei sondern vier Söhne hatte. Der erste eheliche Sohn von Johann Sigismund Adam Wolff war der am 17.12.1804 auf Semershof geborene Ernst Gottlieb Wolff. Dieser wurde laut Taufurkunde 1807 in der Rigaer Domkirche auf gleichen Namen getauft.
Im Jahre 1827 registrierte sich Ernst Gottlieb Wolff "bei persönlicher Anwesenheit" als Kolonist in Kiew und reiste weiter nach Südrussland, wo er unter Fürst Woronow bei der Urbanisierung und Kolonaialisierung Bessarabiens und der Region Wolga mit deutschen Aussiedlern half.
Fürst Woronzow und das Gut Neu-Laitzen
Fürst Michail Semjonowitsch Woronzow (geboren 19. Mai 1782 in Sankt Petersburg; gestorben am 6. November 1856 in Odessa) war ein russischer Offizier und Politiker. Er war Kommandeur der russischen Streitkräfte unter Wellington, Generalgouverneur von Neurussland und Bessarabien sowie Vizekönig des Kaukasus. Er verfocht liberale freimaurerische Ideen, modernisierte Südrußland und den Südkaukasus.
1812 verteidigte er in der Schlacht von Borodino die Schewardinskij-Schanzen gegen die
französische Armee. Woronzow zeichnete sich in der Völkerschlacht bei Leipzig und in der Schlacht von Craon gegen Napoleon aus. 1813 wurde er als Generalleutnant Kommandeur der russischen Streitkräfte in der Armee des Herzogs von Wellington.
1820 zurück in Moskau schloß sich Woronzow der liberalen Bewegung Russlands an. Bereits als Offizier hatte er eine Denkschrift zur menschenwürdigen Behandlung der unteren Ränge verfasst. Nun schlug er Zar Alexander I. eine Gesellschaft zur Befreiung der Leibeigenen vor. Der Zar lehnte das ab.
1823 ging Woronzow als Generalgoverneur von Noworossia und Bessarabien in die heutige Ukraine, nahm den Verwaltungssitz in Odessa und eine Privatresidenz bei Alupka auf der Krim. Er erwarb sich große Verdienste bei der Entwicklung Odessas zu einer modernen Hafenstadt, engagierte westeuropäische Ingenieure und Ärzte, schob städtebauliche Projekte an. Er gründete ein Theater, eine öffentliche Bibliothek, ein Lyzeum, ein Institut für orientalische Sprachen und verschiedene wissenschaftliche Gesellschaften, protegierte englische und französische Lokalzeitungen.
Unter seiner Herrschaft wuchs die Bevölkerung des russischen Südens, weil es bekannt war, dass er entflohene Leibeigene nicht verfolgte. Flüchtlinge fanden schnell Arbeit in der expandierenden Wirtschaft der Hafenstädte am Schwarzen Meer. Zwischen 1823 und 1849 verdoppelte sich die Bevölkerung Odessas. Der russische Dichter Alexander Puschkin lobte die Freiheit in der Stadt.
1844 wurde Woronzow zum Vizekönig des Kaukasus ernannt, erhielt den Fürstentitel. Trotz vorangeschrittenen Alters erwarb er sich auch im Südkaukasus Verdienste um die Entwicklung der Kultur, des Handels, der Industrie und des Verkehrswesens. Er verpflichtete den Italiener Giovanni Scudieri als Chefarchitekten von Tiflis. 1845 gründete er in Tiflis das erste Theater in Transkaukasien, 1846 die erste öffentliche Bibliothek. Auf ihn gehen unzählige Bildungsinstitutionen und Gelehrtengesellschaften zurück, darunter die erste Zeitschrift in georgischer Sprache Ziskari, das Ethnographische Museum und eine Filiale der Kaiserlich-Russischen Geografischen Gesellschaft. Sein Palast
(heute Jugendpalast) ist bis heute ein Schmuckstück in Zentrum der georgischen Hauptstadt.
Woronzows Ziel war es, die von ihm verwalteten Gebieten an Europa heranzuführen, für eine aufgeklärte Bildung zu sorgen, privates Kapital zu schaffen und private Investitionen zur Ausbeutung der Bodenschätze in den Regionen anzuregen. 1855 trat Woronzow in den Ruhestand. 1856 wurde er von Zar Alexander II. zum Feldmarschall ernannt. Im gleichen Jahr starb er in Odessa und wurde dort beerdigt.
1789 hatten die Wolffs das Gut Neu-Laitzen von Fürst Woronzow erworben. Seit dem verbanden die beiden Familien eine Freundschaft die sich auch darin wieder spiegelte, dass man in gleichen Logen aktiv gewesen ist und die Wolffs, wie auch die Woronzows, ähnliche gesellschaftliche Ziele verfolgten.
Bessarabien und die Krim
Ernst Gottlieb Wolff machte sich insbesondere um die Ansiedlung der Deutschen in Bessarabien und um Infrstrukturprojekte auf der Krim verdient. Es wird erzählt, dass er sich am liebsten auf der Krim aufhielt um dort das gute Klima und den Wein zu genießen. Die Sommerresidenz der Wolffs befand sich an der südlichen Küstenregion der Krim im Ort Simeiz in der Nähe des Schlosses Alupka.
Schloss Alupka / Krim
Mit der zunehmenden wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung des Raumes um Odessa und Südrusslands bewiesen auch die russischen Wolffs ihre kaufmännischen Fähigkeiten. Bis Ende des 19. Jahrhunderts waren die Wolffs an Banken, einer Schiffswerft, Handelskontoren und Weingütern beteiligt. Zum Ende des 18. Jahrhunderts hatten die Wolffs die größte zusammenhängende Länderei in der Region Tiraspol.
Männliche Stammreihe der russischen Wolffs und deren Nachkommen:
1779 - 1824 Johann Sigismund Adam Wolff
1804 - 1888 Ernst Gottlieb Wolff
?1834 - 1892 Jakob Wolff
1861 - 1938 Christian Wolff
1897 - 1907 Wilhelm Wolff
1895 - 1907 Friedrich Wolff
1892 - 1936 Michael Wolff
1911 - 1943 David Wolff
1913 - 1944 Wilhelm Wolff
1938 - 1941 Ewald Wolff
1940 - 2005 Artur Wolff
1971 Sandra Wolff
1940 Gerda Wolff
1942 Helga Klara Wolff
1965 Harriet Wolff
1944 Wilhelm Wolff
1973 Oliver Wilhelm Wolff
2006 Marius Wilhelm Adam Wolff
2010 Magnus Wilhelm Hans Wolff
2014 Karolina Elise Wolff
1975 Isabell Berghammer (geb. Wolff)
Die Zeit zwischen 1919 und 1939
Die Zeit zwischen den Jahren von 1919 bis 1939 waren für die Familie in Russland sehr schwer. Auf dem II. Allrussischen Sowjetkongress von 1917 verabschiedeten die Bolschewiki das (2.) Diskret über die "entschädigungslose Enteignung allen Landbesitzes in privater Hand" , was den Verlust allen Eigentums in Russland bedeutete.
Im ehemaligen Besserabien stellte sich die Situation etwas besser dar. Nach Ausbruch der Roten Revolution übernahm im November 1917 eine autonome Vollversammlung mit Sitz in Kischinew die Regierung. Am 2. Dezember 1917 erklärte die Vollversammlung Bessarabien als Moldauische Demokratische Republik unabhängig. Ähnliches geschah auch in der Ukraine, am Don und auf der Krim. Die Verhältnisse im Lande waren chaotisch, denn die russische Front des Ersten Weltkrieges hatte sich aufgelöst. Des Weiteren hatten sowjetische Truppen des Rumtscherod am 5. Januar 1918 Kischinew besetzt und so geriet Bessarabien für wenige Tage im Januar 1918 in die Hände der Bolschewisten. Die Vollversammlung rief Rumänien um militärischen Beistand an, woraufhin rumänische Truppen einmarschierten.
Am 9. April 1918 erklärte Bessarabien bei großer Begeisterung der Bevölkerung, unter Beibehalt einer Teilautonomie, den Anschluss an Groß-Rumänien. Im November 1918 wurde die Vereinigung mit Rumänien vollzogen. Die völkerrechtliche Anerkennung Bessarabiens als Teil Rumäniens kam 1920 im Friedensvertrag von Versailles zustande. Das Gebiet wurde Rumänien zugesprochen.
Die nach 1922 entstandene Sowjetunion hatte den Verlust Bessarabiens nie anerkannt, und beanspruchte das Land weiterhin. Deshalb wurde am Ostufer des Dnister 1924 die „Moldauische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik“ (MASSR) gegründet.
Anfangs wurde noch die Autonomie Bessarabiens im rumänischen Staat respektiert, aber mit der Zeit setzte sich die zentralistische Verwaltung durch. In der Zwischenkriegszeit von 1918–1940 gab es eine wirtschaftliche Entwicklung und Rumänen setzte sich stark für den Ausbau der Infrastruktur in Bessarabien ein. Ein gewisser Rumänisierungsdruck auf Minderheiten fand in Bessarabien dennoch statt. Dieser war jedoch nicht so stark wie die zuvor stattgefundene Russifizierung. Die Institutionen der Minderheiten blieben weitgehend bestehen. Probleme bereiteten die innenpolitisch schwierigen Verhältnisse in Rumänien wie etwa der Aufstieg der ultranationalistischen, antisemitischen und faschistischen Eisernen Garde, die 1937 drittstärkste Partei bei den rumänischen Parlamentswahlen wurde.
Die in die Familie Wolff eingeheiratete Olga Maria, geb. Bohnet, ist abstämmig aus einem ursprünglich in der Normandia ansässigem Adelsgeschlecht die nach der "Pariser Bluthochzeit" und der sich anschliessenden Hugonottenverfolgung über Preussen nach Südrussland einwanderten.
v.l. Olga Maria, Mutter Katharina Bohnet und Cousine Erna Merz
Die Familie Bohnet war an dem Aufbau und der Kolonisierung von Besserabien massgeblich beteiligt. So war die Familie bspw. an dem Bau der Kirche in Leipzig/Besserabien beteiligt und übte zahlreiche Ämter in der Verwaltung aus.
Kirche von Leipzig/Besserabien nach Ihrer Errichtung
Die Zeit nach dem Hitler-Stalin-Pakt
Mit dem Hitler-Stalin-Pakt mußten die Wolffs Bessarabien ganz verlassen und die ihnen noch verbliebenen Besitzungen zurücklassen. 1940 wurden die Eheleute Olga Maria (geb. Bohnet) und Wilhelm Wolff, sowie deren damalige drei Kinder Ewald, Gerda und Artur Wolff, in Leipzig/Sachsen mit dem Titel "Baron v." eingebürgert. Gerda und Artur Wolff wurden auf der Flucht in Leipzig/Sachsen geboren.
Die Wiederansiedlung fand in Bromberg/Westpreussen statt, dort sollte man für den Verlust der Besitzungen in Besserabien angemessen entschädigt werden, was aber nur begingt geschah. Die Familie lebte von 1940 bis 1945 auf dem eigenen Rittergut bei Mönkenwerth. Hier wurden Helga Klara und Wilhelm Wolff geboren.
Rittergut in Mönkenwerth
v.l. Artur, Gerada und Helga Klara
Im Jahr 1944 fiel Wilhelm Wolff im Baltikum und liess seine Frau Olga Maria mit 4 Kindern zurück, Ewald Wolff verstarb bereits 1941.
Wie viele männliche Wolffs teilte auch Wilhelm Wolff die Leidenschaft für Pferde.
Die Freude über die neue Heimat in Westpreussen währte nur kurz. So mußten die Wolffs bereits 1945 vor der heranrückenden Sowjetarmee über Mecklenburg nach Sachsen-Anhalt fliehen. In Mecklenburg wurde der Familie durch die Deutsche Wehrmacht die verbliebenen Wertgegenstände und Dokumente abgenommen. Nach dem "Raubüberfall" führte der Weg auf ein Rittergut bei Magdeburg. Dort wurde man dann 1945 von der Sowjetarmee eingeholt.
Von 1946 bis 1954 lebten die Wolffs aus Angst unter falschem Namen in einem der Nebengebäuden des Ritterguts. 1954 gelang die Flucht in den Westen über die Aufnahmelager Gießen, Ludwigsburg, Balingen und Sankt Johann im Kreis Reutlingen.
Gerne stellen wir auf Anfrage einem ausgewählten fachkundigem Personenkreis unsere Dokumente und Urkunden zur Verfügung.
Quellen: siehe Impressum