Livland einst und heute

Erste Ansiedlungen im heutigen Estland und Lettland reichen vermutlich auf die Zeit des ersten vorchristlichen Jahrhunderts zurück. Neben den damaligen baltischen Stämmen (Kuren, Semgallen, Selonen und Lettgallen) siedelten die voraussichtlich aus Mittelasien stammenden finno-ugrischen Liven. Ihr Hauptsiedlungsgebiet umfasste um 1200 n. Chr. die Dünamündung und erstreckte sich entlang der Ostseeküste.

Im Spätmittelalter wurde mit Livland das gesamte Territorium des Schwertbrüderordens bezeichnet, also das heutige Lettland und Estland. Der Schwertbrüderorden ging 1237 im Deutschen Orden auf.

                                               

Anders als in Preußen konnte sich der Deutsche Orden in Livland - auch nach der Schlacht bei Tannenberg (1410) - als der führende Landesherr Livlands durchsetzen. Diese Leistung verdankte der Orden den Landmeistern Johann Freytag von Loringhoven (1483-1494) und Wolter von Plettenberg (1494-1535). Unter Plettenberg, der als Deutschmeister selbst katholisch blieb, setzte sich in Livland ab 1524 die Reformation durch, ohne dass es zu Gewalt zwischen Katholiken und Protestanten kam. 

Nach dem Untergang Altlivlands 1561 zeigte sich, dass der Protestantismus zum entscheidenden Bindeglied zwischen Deutschen, Esten und Letten Altlivlands geworden war. Protestantische Pastoren trugen Außerordentliches dazu bei, dass es zu einer zunehmenden Annäherung zwischen ihren Völkern kam, auch kulturell.

Auf dem Augsburger Reichstag von 1530 wurde Livland zum Bestandteil des Heiligen Römischen Reiches Deutsche Nation erklärt. 1558 begann mit der russ. Invasion der Livländische Krieg. Um sich gegen die russische Bedrohung abzusichern, unterstellten sich Kurland und Livland, vertreten durch ihre Ritterschaften, 1561 polnischer Oberhoheit: Aus Kurland wurde das weltliche Herzogtum Kurland und Semgallen unter dem letzten Landmeister des Deutschen Ordens in Livland, Gotthard Kettler, während das eigentliche Livland direkt zu Litauen kam und im späteren Staat Polen-Litauen eine Art Kondominium der beiden Staatsteile bildete.

Estland und die Insel Ösel (Saaremaa) unterstellten sich aus demselben Grunde und ebenfalls vertreten durch ihre Ritterschaften dänischer bzw. schwedischer Oberhoheit.

Durch diese Aufteilung auf unterschiedliche Herrschaftsgebiete verengte sich die Bedeutung des Namens Livland auf die Gebiete nördlich der Düna und südwestlich des Peipussees.

1629 kam der größte Teil Livlands durch Eroberungen Gustav II. Adolfs zu Schweden; nur die Gegend um Dünaburg (Daugavpils) blieb – ebenso wie Kurland – polnisch und wurde „Polnisch Livland“ genannt.

Im Jahre 1721 fiel die ganze Region durch Eroberungen Peters des Großen an Russland und bildete mit dem damaligen Estland (dem heutigen Nordteil der Republik Estland) und Kurland (seit 1795) eines der drei Ostseegouvernements, die vom deutsch-baltischen Adel jeweils autonom verwaltet wurden. Das von 1721 bis 1919 bestehende kaiserlich russische Gouvernement Livland mit der Hauptstadt Riga und der Universitätsstadt Dorpat (Tartu) umfasste in etwa das heutige Südestland (mit Dorpat) und das nordöstliche Lettland bis zur Düna. 

Der bei Polen verbliebene Teil Livlands kam erst 1772 im Zuge der Ersten Polnischen Teilung zum Russischen Reich. Dieses Gebiet kam 1919 an Lettland, wo es mit dem Landschaftsnamen Lettgallen (lett. Latgale) bezeichnet wurde.

Da Livland keine ethnisch einheitliche Bevölkerung hatte, sondern vielmehr von Esten und Letten bewohnt wurde, wurde es 1918 in Estland und Lettland aufgeteilt. Die zu Estland gekommene Region hat dort keinen eigenen Namen, während die zu Lettland gekommene Region Vidzeme genannt wird .

Großgrundbesitz und Stadtbürgertum waren durchwegs deutschsprachig. Die deutsche Volksgruppe wurde jedoch im Zuge des Hitler-Stalin-Paktes in die Gegend von Posen / Westpreussen (Warthegau) umgesidelt, von wo sie 1945 abermals weiter westwärts vertrieben wurde.

Heute sind beide Staaten Mitglieder der Europäischen Union.

Quellen: siehe Impressum